Welcher Pflegegrad bei Rollstuhl

Abhängig vom Rollstuhl – der höchstmögliche Pflegegrad schafft Freiräume

Unabhängig von der Schwere der Mobilitätseinschränkung und ganz gleich, ob ein Mensch vorübergehend oder dauerhaft einen Rollstuhl benötigt: Zur Erhaltung und Förderung der persönlichen Selbstständigkeit gibt es finanzielle Unterstützung durch die gesetzliche oder private Krankenkasse. Damit die Versicherung sich vollständig oder teilweise an den Kosten für einen Rollstuhl oder andere Unterstützungsmaßnahmen beteiligt, muss zunächst festgestellt werden, in welchem Umfang die Selbstständigkeit des Betroffenen eingeschränkt ist.

Einstufung für rollstuhlabhängige Menschen – Pflegegrad 3 bis Pflegegrad 5

Dem Neuen Begutachtungsassessment (NBA) folgend, beauftragt die Krankenkasse einen Gutachter des Medizinischen Dienstes (MDK) mit der Feststellung des Pflegegrades. Bei Privatversicherten wird diese Aufgabe von MEDICPROOF übernommen. Abhängig von der Schwere der Mobilitätseinschränkung erfolgt die Einstufung eines rollstuhlabhängigen Menschen in Pflegegrad 3, 4, oder 5. Menschen mit schwerwiegenden Beeinträchtigungen, wie sie beispielsweise mit einer Querschnittslähmung oder einer fortgeschrittenen Multiplen Sklerose einhergehen, werden erfahrungsgemäß in Pflegegrad 4 oder in Pflegegrad 5 eingruppiert. Als höchstmögliche Einstufung setzt Pflegegrad 5 „Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung“ voraus.

Nach der Höhe des Pflegegrades richtet sich die Art und Höhe der Leistungen, die von der Krankenkasse übernommen werden. Hierbei kann es sich um Sachleistungen wie die Bereitstellung eines Rollstuhls (Leihgabe mit Standard-Modell), um regelmäßige Geldleistungen für den Kauf von Hilfsmitteln sowie um die Kostenübernahme für Hilfe bei der Lebensführung (Persönliche Assistenz, Haushaltshilfe) handeln. Des Weiteren werden einmalige Zahlungen bewilligt für Anschaffungen, die ein barrierefreies Wohnen ermöglichen, darunter Treppenlifte und Rollstuhlrampen.

Begutachtung durch den MDK oder MEDICPROOF

Für Menschen, die noch nicht mit der Einstufung des Pflegegrades durch MDK oder MEDICPROOF vertraut sind, hier einmal die Bewertungsgrundlagen für eine erste Orientierung: Die Begutachtung findet durch einen ausgebildeten Mediziner statt, der den Pflegebedürftigen nach Terminabsprache zu Hause oder in der Pflegeeinrichtung aufsucht. Dabei wird die physische und psychische Leistungsfähigkeit oder anders gesagt: der Grad der krankheitsbedingten Unselbständigkeit des betroffenen Menschen aus sechs verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Die sechs Aspekte (Module) gehen in unterschiedlich starker Gewichtung in die Einstufung des Pflegegrades ein

  • Mobilität (Modul 1): 10 Prozent
  • Kognitive Fähigkeiten / Verhaltensweisen (Module 2 und 3): 15 Prozent
  • Selbstversorgung (Modul 4): 40 Prozent
  • Belastungsbewältigung (Modul 5): 20 Prozent
  • Alltagsleben/Kontakte (Modul 6): 15 Prozent

In welchem Umfang die Selbstständigkeit des Betroffenen beinträchtigt ist, wird vom Gutachter mittels einer Punkteskala von 1 bis 100 festgelegt. Der Pflegegrad 3 beispielsweise erfordert 47,5 bis 69,5 Punkte. Für Pflegegrad 4 werden 70 bis 89,5 Punkte benötigt. Pflegegrad 5 setzt 90 bis 100 Punkte voraus.

Pflegebescheid – Kriterien miunter strittig

Umstritten ist zum einen die Gewichtung der sechs Module. Zum anderen bilden die Fragen in einzelnen Modulen die Realität mitunter nur lückenhaft ab. Eine der Kernfragen im Modul „Selbstversorgung“ ist beispielsweise, ob ein Mensch seine Nahrung ohne Fremdhilfe zu sich nehmen kann. Die motorischen Fähigkeiten zum Entpacken von verschweißten Lebensmitteln oder ähnliche Vorarbeiten werden dabei berücksichtigt. Lebt ein Partner oder ein anderes Familienmitglied mit im Haushalt, entfällt jedoch oftmals die Frage, wie die Lebensmittel grundsätzlich ins Haus kommen.

Ein weiteres Beispiel: Viele Menschen bewegen sich im Rollstuhl auf der Straße sicher und souverän. Andere Menschen indes neigen unabhängig von der Mobilitätseinschränkung außerhalb ihres Privatbereiches zu Panikattacken oder anderen Angststörungen. Dies kann ihre Kompetenz als Verkehrsteilnehmer temporär beeinträchtigen. Diese psychische Einschränkung findet bei der Berechnung der Punkte im Gesamtgutachten für den Pflegegrad (Pflegebescheid) nicht immer die angemessene Berücksichtigung (Modul: „Verhaltensweisen und psychische Probleme“).

Ist der Betroffene in der Lage, mit Hilfe eines Rohlstuhls seinen Privatbereich zuverlassen, so ist zu bedenken: Die Einschätzung, die ein Gutachter bei seinem Besuch von der betroffenen Person trifft, ist quasi ein „Sekundeneindruck unter Laborbedingungen“. Die Mobilität im geschützten Umfeld der eigenen vier Wände macht nicht in jedem Fall eine Aussage über die Länge der Gehstrecke, die der Betroffene außerhalb des privaten Bereiches schmerzfrei bewältigen kann. So macht es Sinn, im Vorfeld der Begutachtung eine umfängliche Aktenlage zu schaffen: Röntgen- oder MRT-Bilder, Arztberichte und andere medizinische Dokumentationen stärken die „Beweisführung“ des Betroffenen erheblich.

Selbstständigkeit erhalten – häufig eine Frage der finanziellen Mittel

Heute gibt es eine Vielzahl von Hilfsmitteln für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen. Ob dem Betroffenen tatsächlich die Hilfsmittel zur Verfügung stehen, die seine Selbstständigkeit bestmöglich unterstützten und fördern, bleibt jedoch eine Frage des persönlichen Budgets. Bei gefühlter Fehleinschätzung des Pflegegrades durch MDK oder MEDICPROOF macht es deshalb Sinn, zeitnah zu handeln, um mit dem höchstmöglichen Pflegegrad eingestuft zu werden: Ist das medizinische Gutachten zur Feststellung des Pflegegrades (Pflegebescheid) doch nicht in Beton gegossen: Die Widerspruchsfrist beträgt zwei Wochen. Nicht wenige Pflegebescheide werden aufgrund eines Widerspruches korrigiert und nachträglich hochgestuft.

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